Ein Gespräch zwischen Männern über Mental Health (Das Bild ist KI-generiert).
Männer beginnen, ihre Gefühle zu formulieren, Belastung ernst zu nehmen und neue Wege der Selbstfürsorge zu entwickeln. (Das Bild ist KI-generiert.)

Männer, Emotionen & Mental Health – Zwischen Rollenbildern und echter Selbstfürsorge 

Zuletzt aktualisiert:

„Gefühle zu zeigen ist unmännlich. “ Dieser Satz wirkt wie ein Relikt vergangener Generationen – und gleichzeitig prägt er noch immer das Selbstbild vieler Männer. Im Rahmen des Men Mental Health Month haben wir mit zwei Männern über mentale Gesundheit, Herausforderungen und Veränderungen gesprochen. Neben starken gesellschaftlichen Erwartungen, familiären Mustern und eigener Unsicherheit zeichnet sich ein Bild des Wandels ab: Männer beginnen, ihre Gefühle zu formulieren, Belastung ernst zu nehmen und neue Wege der Selbstfürsorge zu entwickeln. 

TW: In diesem Text geht es um die persönlichen Erfahrungen zweier Personen mit Psychotherapie und mentaler Gesundheit. Sollte es dir nicht gut gehen, lies vielleicht einen anderen Artikel oder informiere dich über die Angebote für mentale Gesundheit, die in diesem Artikel zusammengefasst sind. 

Gefühle in Worte fassen – warum fällt das Männern so schwer? 

Für diesen Artikel wurden zwei Männer, die über dreißig Jahre alt sind interviewt und werden hier anonymisiert zitiert.  

Was ist eigentlich Männlichkeit? In der Gesellschaft schwirren noch immer stereotype Vorstellungen von Attributen umher, die Menschen angeblich männlicher oder unmännlicher machen. Der erste Interviewpartner hat dies in seinem Umfeld über die Jahre stark wahrgenommen und beschreibt die Erwartung an Männer in der Gesellschaft so: „Emotionen zeigen, sich mit seinen Emotionen auseinanderzusetzen, seine Emotionen zu artikulieren, wird eher als schwach oder als unmännlich wahrgenommen.“ Er stimmt diesem generellen Ton aber gar nicht zu – im Gegenteil: „Ich denke, das ist ein überholtes Bild von Männlichkeit – und ich bin auch männlich, wenn ich meine Gefühle zeige.“ 

Auch der zweite Gesprächspartner erlebt den Umgang mit Emotionen als abhängig vom Gegenüber. Er sagt: „Wenn ich nicht weiß, wem ich es erzählen soll, dann versuch ich, mich bedeckt zu halten.“  

Männlichkeitsnormen – ein unsichtbarer Druck 

Beide Männer berichten von einem gesellschaftlichen Erwartungsdruck, der vorgibt, wie ein Mann zu sein hat. Der erste Teilnehmer reflektiert: „Ich möchte dem ein Stück weit entsprechen.“ Gleichzeitig distanziert er sich zunehmend von diesen Normen – ein Prozess der Selbstbefreiung. 

Der zweite Interviewpartner beschreibt klassische Stereotype, die ihm im Alltag begegnen – etwa die Annahme, Männlichkeit müsse mit Härte oder sportlichem Körperbau verbunden sein: „Sportlich sein und ein V zu haben, das finde ich männlich.“ Gleichzeitig macht er deutlich, dass seine „femininen“ Eigenschaften oft kommentiert werden – eine zusätzliche Belastung. 

Wie Männer Belastung erleben 

Im ersten Interview wird besonders deutlich, wie sich Überforderung körperlich und mental äußert: „Ich fühle mich da nicht ausgeglichen. Ich habe das Gefühl, dass ich meine alltäglichen Aufgaben nicht schaffen kann.“ Neben Aufgaben sind es auch soziale Reize, die belasten: „Es kann auch sein, dass es gar nicht zu viele Aufgaben sind, sondern zu viele soziale Kontakte.“ 

Der zweite Interviewpartner beschreibt seine stärkste Belastungsphase nach einer Trennung: „Ich wollte lernen, wie ich mich fühle nach der Trennung von meiner Exfreundin, um meinen eigenen Wert wiederzufinden.“ Er erlebt innere Unruhe, Hektik und Selbstzweifel – Gefühle, die er zuvor selten offen ausgesprochen hatte. 

Coping-Strategien und gelebte Selbstfürsorge 

Beide Männer nutzen Sport als zentrales Werkzeug zur Stressregulation. Der erste sagt: „Ich mach schon Sport, aber das ist nicht das Allheilmittel für mich.“ Stattdessen braucht er Rückzug: „Ich brauche einfach Zeit für mich, Ruhe, Meditation, ein gutes Buch und weniger Verpflichtungen.“ 

Der zweite Interviewpartner beschreibt, wie sehr Bewegung sein Wohlbefinden hebt: „Seit ich wieder angefangen hab zu joggen… ich fühl mich schöner, wenn ich in den Spiegel schaue.“ Dazu kommt aktive Lebensgestaltung: Urlaubsplanung, Me-Time, Teilzeitarbeit – Dinge, die Raum für mentale Stabilität schaffen. 

Therapie – zwischen Stigma und Selbstbefreiung 

Beide Interviewpartner haben psychotherapeutische Angebote wahrgenommen. Dabei sei für beide wichtig gewesen, dass in ihrem sozialen Umfeld offen über die Möglichkeiten und positiven Aspekte von Therapie gesprochen wurde. 

Besonders interessant ist die therapeutische Erfahrung des zweiten Interviewpartners. Er erzählt offen: „Es war Gestalttherapie. Ich wollte lernen, wie ich mit meinen Gefühlen nach der Trennung umgehe.“ Diese Erfahrung öffnet ihn nachhaltig: „Ich würde es jedem empfehlen, der im Ansatz an sich zweifelt.“ Vor allem positive Vorbilder im Freundeskreis gaben ihm Mut und die Courage sich mit sich selbst und seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. 

Ein gesellschaftlicher Wandel – aber noch ein weiter Weg 

Beide Männer verdeutlichen, dass ein Umdenken bereits im Gange ist. Männer beginnen, über Gefühle zu sprechen, Erwartungen zu hinterfragen und eigene Wege zu mentaler Stabilität zu finden. Gleichzeitig bleibt der Druck bestehen – in Familiensystemen, in Freundeskreisen, in Rollenbildern. 

„Wir schlucken viele Sachen einfach runter“, beschreibt der zweite Interviewpartner über seine Familie. Es zeigt sich: Der Wandel ist da, aber er ist nicht überall gleich stark spürbar. 

Vielleicht braucht es gar keine riesige Kampagne am Bahnhof, wie einer der Männer scherzhaft sagt. Vielleicht braucht es vor allem mehr Räume, in denen Männer sagen können: „Es ist okay, dass es mir nicht immer gut geht.“   

Und noch wichtiger: Es ist okay, darüber zu sprechen.