Secondhand-Trend: Grün, grün, grün sind alle meine Kleider?

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Secondhand boomt: Kein Wunder, denn der Secondhand-Trend schont die Geldbörse und stellt für viele eine nachhaltige Alternative zu Fast-Fashion dar. Aber was steckt hinter den angesagten Altkleidern und worauf solltest du bei Secondhand-Kleidung achten? Um derartige Fragen zu klären, beleuchten wir in diesem Artikel für dich den Secondhand-Trend.

Junge Frau, die dem Secondhand-Trend folgt und Secondhand-Kleidung in einem Laden durchsieht
Vor allem junge Menschen folgen dem Secondhand-Trend. © Burst von Pexels

Im grell beleuchteten, schmalen Gang der Umkleide jongliere ich ungeschickt gefühlt 13 Kilogramm sperrige Kleidung von Hand zu Hand und versuche dabei vergebens nicht den gesamten Fliesenboden damit aufzuwischen. Während mir der Schweiß langsam den Rücken hinunterrinnt, werde ich von einem mit Headset bestückten, monochrom gekleideten Mann ungeduldig anschnauzt: „Wie viele Teile?“

Die Suche nach einem neuen Wintermantel an einem Samstagnachmittag in der Wiener Innenstadt mit Freundinnen gleicht einem High-Intensity-Training im Fitnessstudio. Nach dem fünften vollgestopften Geschäft gebe ich auf und beschließe, die anderen tapferen Shopping-Feldzug-Veteraninnen auf einen Kaffee einzuladen. Zwischen zwei Bissen Topfengolatsche lächelt meine Freundin mich aufbauend an: „Vielleicht schaust du einfach mal nach Secondhand-Kleidung? Da findet man oft so coole Teile und nachhaltig ist es auch!“ – Ich schaue in die Gesichter meiner Freundinnen, die zustimmend nicken. Zugegeben, der Secondhand-Trend klingt verlockend: Ich werfe mein Geld keinem großen Fast-Fashion-Konzern in den Rachen, Kleidungsstücke bekommen als Secondhand-Kleidung eine zweite Chance und ich verliere nicht den Verstand beim Versuch, mich durch unendliche Gänge Synthetikstoff zu kämpfen… oder?

Der Secondhand-Trend war noch nie so groß. Spätestens seit die Generation Z mit ihrem Hang zur „Uniqueness“ darauf aufmerksam geworden ist, schießen Vintage-Läden und Kiloshops wie Schwammerl aus der Erde. Große Modekonzerne wie Zalando oder H&M entwickeln sogar eigene Secondhand- bzw. Recyclingideen. Nachhaltigkeit ist sexy – und was könnte nachhaltiger sein, als Kleidung gebraucht zu kaufen oder seine eigenen nicht mehr ganz so geliebten Stücke, nach einem Anflug des Ausmistens à la Marie Kondo, weiterzugeben und Teil des Secondhand-Trends zu werden?

80.000 Tonnen Altkleider pro Jahr

Innerhalb der EU liegt der Konsum von Kleidung und Schuhen auf Platz vier im Ranking um die größte Umweltbelastung. Sonderaktionen wie der „Black Friday“ locken mit absurden Rabatten und animieren zu Impulskäufen. „Getragen wird die Kleidung danach oft nur selten oder sogar gar nicht“, so Lisa Panhuber von Greenpeace Österreich in einem Interview mit ORF. Jedes achte Kleidungsstück in österreichischen Haushalten fristet sein Dasein als ungenutzter, modischer Staubfänger. Allein im Burgenland sind das mindestens drei Millionen Kleidungsstücke. Zwangsläufig führt das zu einer unglaublichen Zahl von 80.000 Tonnen Altkleider pro Jahr in Österreich.

Die Gründe, Kleidung auszumisten sind vielfältig: Von Verschleiß bis zum Stilwandel ist alles dabei. Die aussortierten Teile wandern in große Plastiksäcke – und dann? Laut Greenpeace Österreich werden die unliebsamen Stücke in den meisten Fällen weggeworfen (rund 45 %) oder als Secondhand-Kleidung anonym in Sammelboxen gespendet (42 %). Der Secondhand-Trend wirkt wie die Lösung! Das Zuhause ist wieder ordentlich und nebenbei hat man auch noch Gutes getan. Aber war da nicht noch etwas?

Hände einer jungen Frau mit einem Stapel Secondhand-Kleidung, der den Secondhand-Trend widerspiegelt
Secondhand-Kleidung kann bereits über zahlreiche Plattformen von Privatpersonen erworben werden.
© Arina Krasnikova von Pexels

Unternehmen der Altkleiderverwertung stehen oftmals unter Kritik; nicht nur, weil sie mit Spenden ein lukratives Business betreiben und damit stark vom Secondhand-Trend profitieren, sondern auch, weil ein großer Teil der gespendeten Kleidung in andere Länder exportiert und so der dortige Textilmarkt zerstört wird. 42 Nationen, hauptsächlich in Afrika, Südamerika und Asien, haben den Import von Secondhand-Kleidung inzwischen beschränkt oder gar ganz verboten.

„Die Zeit Online“ hat 2018 zudem in ihrem Artikel „Der Hinterhof der Fast Fashion“ über ausbeuterische Zustände in der Secondhand-Branche recherchiert und ist auf Erschreckendes gestoßen. Bulgarien ist ins Geschäft mit kaum getragener Secondhand-Kleidung eingestiegen, deren Aufbereitung für die Arbeiter:innen eine Qual ist. In großen Fabrikhallen sitzend wird unter ständiger Feinstaubbelastung die Kleidung sortiert. Eine Gewerkschaft, die den Betroffenen helfen könnte, gibt es keine. Und schon wirkt der Secondhand-Trend nicht mehr so rosig.

Auch Konzerne springen auf den Secondhand-Trend auf

Seit einiger Zeit gibt es nicht nur die Möglichkeit, Altkleider-Container für Secondhand-Kleidung heranzuziehen. Auch große Fast-Fashion-Konzerne springen auf den Secondhand-Trend auf und locken ihre Kundschaft mit scheinbar nachhaltigen Alternativen. In vielen Stores von gängigen Fast-Fashion-Riesen finden sich Sammelboxen, in denen Kund:innen ihre gebrauchte Kleidung als Secondhand-Kleidung abgeben können. So auch bei der weltgrößten Modekette Zara. Das Versprechen ist eindeutig: „Schenken Sie der Kleidung, die Sie nicht mehr tragen, ein neues Leben“. Die deutsche Zeitung „Die Zeit“ hat den Secondhand-Trend und das Versprechen großer Modeketten einmal genauer unter die Lupe genommen. In dem Projekt Sneakerjagd wurden Sneaker von deutschen Prominenten verwanzt, an verschiedenen Recycling-Stationen abgegeben und per GPS-Recherche verfolgt. Die Ergebnisse waren erschreckend: Fast alle mit Tracking-Chip versehenen Schuhe landeten letztendlich auf dem Müll. Von „neuem Leben“, wie Zara es nennt, kann keine Rede sein. Der Secondhand-Trend wurde folglich nur genutzt, um das eigene Markenimage aufzupolieren.

Überschuss an Kleidung in Österreich

Natürlich gibt es nicht nur große Unternehmen, die ein paar Euro mit Secondhand-Kleidung verdienen wollen. Auf Plattformen wie Vinted, Etsy oder Willhaben boomt der Secondhand-Trend: Viele Privatpersonen verkaufen oder verschenken dort ihre Altkleider. Auch der kleine Laden um die Ecke profitiert vom Secondhand-Trend und verkauft oft Kleidung von Privatpersonen. Nicole besitzt genau so einen Laden in Niederösterreich und hat sich vor allem auf den Verkauf von Kindergewand spezialisiert. Im Interview erzählt sie, dass kein Ende des Secondhand-Trends in Sicht ist, der Markt für Secondhand-Kleidung entwickle sich prächtig.

„Es ist ein Überschuss an Ware in Österreich vorhanden, leider.“

Nicole, Besitzerin eines Secondhandladens

Nicole nimmt in ihrem Laden Ware auf Kommission und verkauft diese gegen eine Gebühr. Die Secondhand-Kleidung nimmt sie genau unter die Lupe, um den neuen Käufer:innen auch gute Qualität zu bieten. Bleiben Kleidungsstücke übrig, werden diese wieder an die Kundschaft zurückgegeben oder zum Teil an Kinderheime gespendet. „Die sind aber auch voll, es gibt zu viel Kleidung in Österreich“, bedauert die Jungunternehmerin. Übrigens kaufen nicht nur einkommensschwache Personen in ihrem Shop, auch Gutsituierte folgen dem Secondhand-Trend und ergattern das ein oder andere Kleidungsstück. Secondhand-Kleidung sei für die Kundschaft eine Möglichkeit, günstige Kleidung zu erwerben und gleichzeitig ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Nicole selbst ist der Meinung, es wäre immer besser, aus zweiter Hand zu kaufen. Denn vor allem bei Kleidung aus recycelten Stoffen leide die Qualität, Nachhaltigkeit hin oder her.

Secondhand-Trend als Lösung?

Der Secondhand-Trend ist grundsätzlich nicht schlecht. Bereits bestehende Konsumgüter zu nutzen, erscheint in einem Land, in dem jetzt schon genug Textilien für die nächsten Jahrzehnte existieren, mehr als sinnvoll, wobei wir Privatverkäufe den großen Modeketten vorziehen sollten. Gegen den Überkonsum der Gesellschaft kann das Kaufen von Secondhand-Kleidung aber bestenfalls eine gute Zwischenlösung sein.

Generell sollten wir aber nicht blind auf den Secondhand-Trend aufspringen, sondern beim Kleidungskauf kritischer sein und uns fragen, wo die Stücke produziert wurden, wie sie zu uns gekommen sind und vor allem, ob wir das wirklich brauchen. Das hört auch bei Secondhand-Kleidung nicht auf.

Was meinen neuen Wintermantel betrifft: Ich habe beschlossen, auf Trends zu pfeifen und auch noch diese Saison mit meinem alten Mantel und erhobenen Hauptes durch die Straßen spazieren. Denn wie heißt es so schön: Guter Stil ist eine Frage der Haltung.

 

Du möchtest nicht nur dem Secondhand-Trend folgen, sondern auch dein ganzes Leben ein bisschen grüner gestalten? Dann haben wir Tipps und Tricks für dich, wie du nachhaltig leben und mit Möbel-Upcycling nachhaltig schöner wohnen kannst.

Autor:innen: Novak, Neugebau und Roth