Pärchen in Coronazeiten
Als Pärchen hat man es schwer in Coronazeiten.

Warum die Quarantäne besonders für junge Paare herausfordernd ist

Die Quarantäne wirkt sich nicht nur auf uns selbst und unser eigenes Wohlbefinden aus, sondern auch auf unsere Paarbeziehung. Wir haben mit Studierenden über ihre Erfahrungen gesprochen. Warum die Quarantäne besonders für junge Paare eine Herausforderung darstellt, erklärt uns Psychotherapeutin Verena Buxbaum. 

 

Ein Tag wie jeder andere in Zeiten von Covid-19: Beim Wecker erstmal fünfmal auf Schlummern drücken, verschlafen zur Kaffeemaschine eilen und dabei über drei Paar Socken, einen PS4-Controller und den eigenen Partner stolpern, der die Nacht zockend im Sitzsack verbracht hat. Ärger ist vorprogrammiert. Das Zusammenleben ist besonders für junge Paare momentan nicht einfach, denn man lebt häufig in einer kleinen Wohnung und kann sich kaum aus dem Weg gehen. „Jüngere Menschen sind stärker sozial orientiert und entwickeln ihr Selbst noch stark im Austausch mit der Umwelt“, wie uns Psychotherapeutin Verena Buxbaum erzählt. Aufgrund der Quarantäne fehlen daher auch viele Quellen, die sonst für den Selbstwert verantwortlich sind – wie etwa Erfolg in der Arbeit oder Bestätigung im Sport. Deshalb ist für junge Menschen nicht nur die Beziehung mit dem Partner oftmals herausfordernder, sondern auch jene mit sich selbst. „Viele Gründe für Konflikte liegen ja nicht in der Beziehung und in der Person des Partners, sondern in der eigenen Psyche“, sagt Buxbaum. Daher ist laut der Therapeutin besonders in dieser Zeit ein achtsamer, selbstreflexiver und dialogischer Umgang mit sich selbst und in weiterer Folge mit dem Partner wichtig. 

Die plötzliche Enge in der Beziehung

„Die Toleranzgrenze ist niedriger“, gesteht Nadine, die seit sieben Jahren mit ihrem Freund zusammenwohnt. Sobald sich Streit anbahnt, gehen sich die beiden aus dem Weg – so gut es eben geht. Gerade diese plötzliche Enge in der Beziehung führt dazu, dass Konflikte, die es in Beziehungen immer gibt, stärker an die Oberfläche gespült werden, meint Therapeutin Buxbaum. Das zeigt sich dann in inneren Fluchtmöglichkeiten, die man sich sucht: „Das kann zum Beispiel exzessiver Medienkonsum, aber auch Rückzug, Alkohol, Wortkargheit und Sich-Hineintigern in Projekte sein“. Damit es bei Nadine und ihrem Freund gar nicht so weit kommt, versuchen die beiden sowohl bewusst Zeit zusammen als auch getrennt zu verbringen. „Jeder hat seine zwei, drei Sachen, die er jeden Tag erledigen will“, erzählt uns Nadine. „Am Abend haben wir dann Zeit gemeinsam und kochen oder schauen einen Film.“

Den Jahrestag getrennt in Quarantäne verbringen

Ganz anders ist die Situation bei Studentin Anna, die nicht mit ihrem Freund zusammenwohnt. „Die Sehnsucht ist sehr groß“, bestätigt Anna, die ihren Freund in der Quarantäne-Zeit nur mehr online trifft. Was ihr besonders fehlt? „Der körperliche Kontakt. Das Begrüßungsbussi, das Händchen-Halten. Alles, was früher ganz normal war“, so die 24-Jährige. Jetzt sind es eben der Kuss-Sticker und das Herzerl-Smiley, die man sich vermehrt schickt. Dass man so auch seinen Jahrestag schön verbringen kann, erzählt Anna mit einem Schmunzeln: „Wir haben uns beide schick angezogen, jeder hat sich für sich etwas zu essen gemacht und dann haben wir unseren Video-Chat gestartet. Es war anders, aber schön.“ Trotzdem freut sich Anna darauf, ihren Geliebten wieder in die Arme nehmen zu können.  

Gemeinsame Quarantäne als Test

Theresa ist seit sieben Jahren in einer Beziehung und wohnt eigentlich nicht mit ihrem Freund zusammen – noch nicht. „Wir ziehen in knapp einem Monat zusammen und haben die Quarantäne gleich als Chance ergriffen, das Zusammenleben zu erproben“, wie uns Theresa erzählt. Besonders am Anfang war die Situation angespannt: „Vor der Krise haben wir viel Zeit mit Freunden verbracht und wir mussten uns erstmal auf dieses Leben zu zweit umstellen“. Gemeinsame Paar-Aktivitäten wie Radfahren und Spielen haben dabei geholfen, sich näher zu kommen. Laut Psychotherapeutin Buxbaum geht es jetzt darum, das Beziehungsleben auf eine empathische und rücksichtsvolle Art und Weise zu organisieren. Dabei können vereinbarte Zeiten für Dialog und auch Alleinsein hilfreich sein. Wichtig ist, so die Psychotherapeutin, die eigenen Bedürfnisse und jene des Partners im Blick zu haben. Bei Theresa und ihrem Freund läuft das Zusammenleben mittlerweile gut und das gibt ihr auch „viel Hoffnung und ein gutes Gefühl für unsere gemeinsame Wohnung.“ 

„Ich habe sogar sein Schnarchen vermisst“

Bei Julia war die Quarantäne zu Beginn mit viel Angst und Trauer verbunden, denn sie ist mit ihrer Familie relativ spontan in ihr abgelegenes Ferienhaus gezogen, um zu sehen, ob sie Symptome entwickeln und um sich in Sicherheit zu bringen. Ihr Freund musste hingegen weiterhin arbeiten und konnte daher nicht mitkommen. „Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn im Stich lasse“, erzählt Julia. Die räumliche Trennung und die große Ungewissheit, wie es wohl weitergeht und wann sie ihren Freund wiedersieht, schlugen sich in Schlaf- und Essproblemen nieder. Die zahlreichen Telefonate haben nur bedingt geholfen. Nach 12 Tagen des Wartens war klar: Es geht wieder nach Hause. Und so schlimm der Abschied war, so schön war das Wiedersehen. Auch aus einem bestimmten Grund, denn „wir haben beschlossen zusammenzuziehen – ganz offiziell“, berichtet Julia voller Freude. 

Das Dreigestirn der Quarantäne-Beziehungsgestaltung

Eins ist klar: Wir befinden uns momentan alle in einer Ausnahmesituation, die wir als soziale Wesen nicht gewöhnt sind und die uns auf die Probe stellt. Das zeigt sich beispielsweise in der stark zunehmenden Scheidungsrate in China. Aber auch die Zahl der Hochzeiten und Corona-Babys soll laut Forschern steigen, denn die Quarantäne kann in harmonischen Beziehungen sogar festigend wirken, wie Paarberater Martin Jurock im Gespräch mit dem Magazin „tip Berlin“ erzählt. In bereits kriselnden Partnerschaften begünstigt die Ausgangsbeschränkung hingegen noch mehr Konflikte. Die Quarantäne fungiert sozusagen als Lupe, sodass Paare schneller erkennen, wo die Beziehung gerade steht. 

Was jetzt besonders wichtig ist? „Erhöhte Achtsamkeit, erhöhte Toleranz, mehr Dialog über das eigene Erleben – so könnte man kurzgefasst das Dreigestirn der Quarantäne- Beziehungsgestaltung beschreiben“, so Buxbaum. Fragen, die dabei helfen, in den gemeinsamen Dialog zu kommen, sind zum Beispiel: „Kann ich etwas tun, dass du dich wohler fühlst?“ oder „Was macht es dir gerade schwer, mit mir zusammen zu sein?“ 

Die Beziehung zu sich selbst

Der Austausch mit dem Partner erfordert allerdings auch den Dialog mit der eigenen Person, damit man auf die Spur seiner eigenen Bedürfnisse kommt. Daher ist in der Quarantäne auch eine andere Beziehung wichtig – nämlich jene zu sich selbst. „Schlussendlich ist es diese innere Beziehung zu mir selbst, der innere Dialog, der die Basis für die Paarbeziehung legt“, meint die Therapeutin. Abgrenzung vom Partner ist also trotz – oder gerade wegen – der physischen Nähe notwendig, denn eigene Bedürftigkeit kann nicht vom Partner gestillt werden.  

„Zocken gibt mir die Zeit für mich“

Zu guter Letzt möchten wir noch den zockenden Herrn aus dem Sitzsack von zu Beginn zu Wort kommen lassen. „Die Quarantäne hat definitiv Auswirkungen auf unsere Beziehung, teilweise auch negative“, erzählt Thomas. Als Beispiel nennt er den Umstand, dass man nie alleine ist und es schwierig ist, Zeit für sich selbst zu finden. Das Spielen bietet Thomas den Ausgleich zum gemeinsamen Alltag: „Zocken gibt mir die Zeit für mich.“ Und schließlich ist ja gerade diese Rücksichtnahme auf die eigenen Bedürfnisse in Zeiten wie diesen besonders wichtig.