Kaum jemand in Österreich wächst ohne Religion auf. Sind die Eltern katholisch, ist man es auch. Sind sie evangelisch, ist man das ebenso. Dann kommt der Zeitpunkt, an dem man selbst entscheiden muss: Wo zählst du dich dazu? Die Religion der Eltern spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ob man diese übernimmt oder verwirft, zeigt sich auch bei Studierenden.
Katholisch, muslimisch, evangelisch, christlich orthodox – das sind die dominierenden Religionen in Österreich. Mit einer Religionszugehörigkeit von 68,2 Prozent zum römisch-katholischen oder evangelischen Glauben, gilt Österreich als ein weitgehend christlich geprägtes Land. Die römisch-katholische Kirche zählt im Jahr 2022 4,73 Millionen Mitglieder und ist trotz der Anzahl von Kirchenaustritten, nach wie vor die mitgliederstärkste Religion des Landes. Allerdings ist ein Wandel erkennbar. Sind es heute 51,9 Prozent, waren es vor zehn Jahren 63,4 Prozent. Die Zahl der Kirchenmitglieder nimmt seit Jahren ab. Was sind die Gründe dafür und wie denken Studierende über die Religion, ihre Erziehung und den Glauben?
„Kirche hat immer auch mit Familie zu tun.“, sagt Dr. Gerhard Viehauser. Er ist Bischofsvikar in Salzburg und beschreibt in einigen Sätzen, wie man sich mittels Taufe und Firmung zum katholischen Glauben bekennt und dadurch ein volles Mitglied der Kirche wird. „Die Taufe ist die Voraussetzung für die Firmung. Die Firmung ist das Erwachsenwerden in Glaubensfragen. Sie ist eine selbständige Entscheidung für den katholischen Glauben, wenn dem nicht so ist, sollte man sich nicht firmen lassen.“ Herr Viehhauser erklärt, dass bei Glaubensentscheidungen auch immer der Kontext mitspielt. „Glaube ist soziologisch. Er ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit, sondern auch eine gesellschaftliche. Die Eltern geben ihre Überzeugungen an die Kinder weiter, oft gelingt das, aber natürlich kann es auch misslingen.“
Das die Religion der Eltern eine wesentliche Rolle spielt, zeigt sich auch in den unterschiedlichen Fachbereichen an der Universität in Salzburg. Psychologie-, Politik-, und Lehramt-Studierende, sowie Studierende aus der Kommunikationswissenschaft (KoWi) berichten über ihre Einschätzung zur „Vererbung“ von Religion. Mit den einleitenden Sätzen „Meine Eltern sind […]“ oder „Ich bin […] aufgewachsen“, starten die Studierenden ins Gespräch.
„Ich bin in den katholischen Glauben hineingewachsen. Es war nicht meine eigene Entscheidung, ob ich getauft werden soll oder nicht,“ berichtet eine KoWi-Studentin. „Mit 18 Jahren bin ich dann aus der katholischen Kirche ausgetreten.“ Im Verlauf des Gesprächs schildert sie ihren familiären Hintergrund. Beide Elternteile waren katholisch getauft worden und sind bereits vor dem Austritt der KoWi-Studentin aus der Kirche ausgetreten. Hat sie die Entscheidung ihrer Eltern beeinflusst? „Natürlich ahmt man den Eltern nach, sie haben immerhin eine sehr vorbildhafte Funktion und trotzdem war das eine individuelle Entscheidung“, erklärt sie und ergänzt: „Ich habe mich schon in jungen Jahren viel mit dem Thema Glaube, Religion und Macht beschäftigt. Ich gehe einfach mit manchen Dogmen und Glaubensgrundsätzen der Kirche nicht konform, dabei geht es nicht um die Kirchensteuer, auch habe ich keine Aversion oder einen Groll gegen die Kirche, ich benötige die Kirche ganz einfach nicht.“
Eine Psychologie-Studentin beschreibt eine ähnliche Erfahrung: „Offiziell bin ich katholisch, aber ich habe vor, aus der Kirche auszutreten.“ Der Vater der Psychologie-Studentin war katholisch und die Mutter war evangelisch. „Mein Vater ist aus der Kirche ausgetreten, weil er nie in die Kirche gegangen ist und keine Kirchensteuer zahlen wollte. Dass meine Mutter evangelisch war, ging, denke ich von ihrem Vater aus.“ Die Psychologie-Studentin wurde von ihren Eltern zu nichts gedrängt und insofern hat das dazu beigetragen, dass sie heute nicht religiös ist. „Außerdem haben sie mir Religiosität nicht vorgelebt“, erzählt sie weiter. „Ich habe ihnen zwar nie aktiv etwas nachgemacht, aber trotzdem hatte ihr Verhalten einen großen Einfluss auf mich.“
Sowohl die KoWi-Studentin, als auch die Psychologie-Studentin sind der Meinung, dass man Glaube und Religion getrennt voneinander betrachten muss. Glaube sei etwas Individuelles und die Religion ein kollektiver Glaube, welcher mit Praktiken und Ritualen verbunden ist. Ferner sei die Kirche nicht notwendig, um glauben zu können.
Wie steht es um den Fachbereich der Katholisch-Theologischen Fakultät? Religiöse Themen und Glaubensfragen stehen hier an der Tagesordnung. Ein Theologie-Student macht gerade sein Doktorat an der Theologischen Fakultät in Salzburg und bekennt sich fröhlich und offen zur katholischen Kirche. Für ihn ist der Glaube ungemein wertvoll und ein Trost in schweren Zeiten. Auch er ist katholisch getauft worden. Er schildert seinen familiären Hintergrund und berichtet, dass sein Vater auch als Baby getauft wurde und seine Mutter, etwas später vom evangelischen zum katholischen Glauben konvertiert ist. Für die Eltern war die katholische Taufe ihrer Kinder die logische Folge ihres eigenen Glaubensbekenntnisses. Maßgeblich geprägt war diese Entscheidung vor allem durch das soziale Umfeld. Der Theologie-Student erzählt, dass seine Mutter aus einem anderen Ort zugezogen war. Sie baute nie aktiv eine Beziehung zu evangelisch-gläubigen Menschen in diesem Ort auf und beteiligte sich, gemeinsam mit ihrem Ehemann, vielmehr in der katholischen Gemeinschaft. Die gemeinsamen Besuche der Messen und das Pflegen der Kontakte zu den katholisch-gläubigen, führte letztlich zur freiwilligen Konvertierung der Mutter. Auch für den Theologie-Studenten waren das Umfeld und die sozialen Beziehungen maßgeblich für seine Entscheidung. Inspiriert von einem Pastoralassistenten und einem Diakon aus seiner Teenie- und Jugendzeit, entschied er sich für die Religion und im Weiteren für das Theologiestudium. Die Religion seiner Eltern hat er für sich übernommen, denn mit dieser ist er aufgewachsen und sie wurde zu einem wesentlichen Bestandteil seines Lebens.