Digitale Barrierefreiheit wird Pflicht
Digitale Barrierefreiheit wird Pflicht. (c) Envato Elements

Digitale Teilhabe wird Pflicht

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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Deutschland und das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Österreich sind Ende Juni in Kraft getreten, aber was bedeutet das?

Mit 28. Juni 2025 sind in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und in Österreich das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Kraft getreten. Diese Umsetzung der europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie verpflichtet Unternehmen zur digitalen Barrierefreiheit, insbesondere bei frei zugänglichen Websites und digitalen Services für Endverbraucher*innen.

Gesellschaftlicher Meilenstein

Was auf den ersten Blick nach einer bürokratischen Formalie klingt, ist ein gesellschaftlicher Meilenstein. Denn in Deutschland leben fast acht Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung. Auch in Österreich betrifft das Thema hunderttausende Menschen mit dauerhaften oder temporären Einschränkungen. Für sie waren viele kommerzielle Webseiten, Onlineshops oder digitale Services bis vor kurzem praktisch nicht zugänglich, obwohl das nötige Wissen und die Technik dafür längst verfügbar gewesen wäre.

Krystsina Kunert und Henryk Lippert von SiteCockpit analysierten in ihrem Lightning Talk im Rahmen re:publica die strukturellen Hürden, die dem Fortschritt oft noch im Weg stehen, etwa Wissensdefizite in der Planung, technische Lücken, veraltete Systeme, wirtschaftlicher Druck, der Barrierefreiheit „nach hinten“ reiht oder unklare gesetzliche Vorgaben, die Unsicherheit schaffen, sowie fehlendes Monitoring und keine aktiven Kontrollen.

Was bedeutet digitale Barrierefreiheit?

Mit Stichtag 28. Juni 2025 sind nun also sowohl in Deutschland als auch in Österreich Anbieter digitaler Produkte gefordert gewesen, Online-Shops, Buchungsplattformen, e-Reader, Selbstbedienungsterminals, etc. barrierefrei zu gestalten. Das bedeutet, dass Inhalte für Menschen mit Seh-, Hör- oder kognitiven Einschränkungen zugänglich und Wahrnehmbar sein müssen. Die technische Umsetzung muss auch mit Hilfsmitteln wie Screenreadern zuverlässig
funktionieren. In Bezug auf die Bedienbarkeit sollten Websites vollständig per Tastatur navigierbar sein, ohne Maus oder Touch-Funktion. Es ist außerdem auf die Verständlichkeit und Konsistenz der Inhalte zu achten.

Dabei gelten internationale Standards wie die WCAG 2.2 (Web Content Accessibility Guidelines). Je nachdem, wie barrierefrei eine Website ist, unterscheidet man in den Konformitätsstufen A, AA und teilweise AAA, wobei letztere die höchsten Barrierefreiheitsstandards erfüllt. Wichtig zu erwähnen ist, dass diese Anforderungen auch für Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU gelten, wenn sie ihre digitalen Produkte innerhalb der EU vertreiben.

Mehr Chance als Pflicht

Auch wenn viele Unternehmen mit dem Mehraufwand durch mögliche Umstellungen und Anpassungen konfrontiert sind, bietet das neue Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit nun
Rechtssicherheit, aber auch neue Marktpotenziale durch inklusivere Zielgruppen, bessere Auffindbarkeit in Suchmaschinen (SEO) – über 90% der Barrierefrei-Maßnahmen verbessern die
Sichtbarkeit, höhere Nutzerfreundlichkeit für alle, wenn man an ältere Menschen denkt, und ein positiveres Image für Unternehmen.