Parlament in Wien
Das Parlament in Wien kann auch online besucht werden.

Willkommen im (Online-)Parlament

In Zeiten des Coronavirus waren Exkursionen im schulischen und universitären Bereich nicht mehr möglich. Einige engagierte Lehrende lassen sich aber dennoch etwas einfallen. So waren Studierende des Masterstudiengangs Digitale Medien und Kommunikation der FH Burgenland kürzlich zu Gast im Parlament – virtuell nämlich.

 

9 Uhr vormittags. Pünktlich sitzen die rund 40 Studierenden vor ihren Laptops. Jeder und jede für sich zuhause – und doch gemeinsam in den Räumen des Ausweichparlaments. Namentlich im Stubenring 8 – 10, einem ehemaligen Gebäude der Wirtschaftskammer. Thomas Goiser ist Leiter der Exkursion, er hat den Tag eingefädelt und auch geplant. Gemeinsam mit den Mitarbeitern des Parlaments ist er in Wien vor Ort. Die Räumlichkeiten am Bildschirm im Hintergrund erinnern an ein Schloss. Elegant. Kurz darauf stellt sich Karl-Heinz Grundböck vor: Er ist seit rund zwei Jahren Sprecher der Parlamentsdirektion, eines Verwaltungsapparats mit Servicefunktion.

33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier für die Parlamentskommunikation zuständig – Social Media, Websiteauftritt, Presseaussendungen, das ganze Programm. „Wir informieren darüber, welche Anfragen gestellt werden, welche Sondersitzungen stattfinden. Kurz: was sich tut im Parlament“, erzählt Grundböck dann. Besonders wichtig ist hier die Berichterstattung über Ausschusssitzungen. Denn zu diesen sind keine externen Medien zugelassen. „Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Parlamentsdirektion absolut neutral ist und nicht parteipolitisch zugeordnet werden kann.“ Das Ziel der Parlamentsdirektion ist es, dass Demokratie und Parlamentarismus in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen werden.

Multimediale Formate statt Denkmalschutz

Auch wenn es vielleicht ungewöhnlich ist, sich nur über einen Bildschirm zu treffen – Dresscode gibt es hier natürlich keinen – läuft das Gespräch sofort an. Was ist der Kern ihrer Medienstrategie? Wie viele Menschen arbeiten in der Kommunikation? Wie wird entschieden, was kommuniziert wird? Die Studierenden haben viele Fragen und Grundböckbeantwortet sie klar und verständlich – die erste Stunde ist bald um. 

Besonders hervorzuheben ist das Vorhaben, die Kommunikation des Parlaments ein wenig zu verändern. Presseaussendungen sollen kürzer werden. Multimediale Formate wie Podcasts und animierte Erklärvideos sollen Interessierten die Arbeit des Parlaments näherbringen. Damit will man auch jüngere Zielgruppen erreichen. „Besonders bei der Website müssen wir uns beeilen, bevor sie noch unter Denkmalschutz gestellt wird“, schmunzelt Karl-Heinz Grundböck.

Die ersten Schritte der neuen Multimedialität sind bereits getan – zum Beispiel mit der virtuellen Parlamentsführung. Diese machen auch die Studierenden der FH Burgenland. Über einen YouTube-Link geht es los durch die Räumlichkeiten des Ausweichquartiers des Parlaments in der Hofburg. Aktuelle Aufnahmen führen durch den Kleinen und Großen Redoutensaal, den Spiegelsaal, die Galerie und viele andere Räume. Die Demokratie ist hier in künstlerische Besonderheiten verpackt. Ein Deckengemälde von Josef Mikl in warmen Rot– und Orangetönen enthält alle 34 Verse des Gedichts „Jugend“ von Karl Kraus. Auch große Literaten wie Ferdinand Raimund, Johann Nestroy und Elias Canetti wurden verewigt. Thema während der Führung sind auch die Geschichte und der Umbau des österreichischen Parlaments.

Online ergänzt das Medium Mensch

Als die virtuelle Führung zu Ende ist, melden sich Thomas Erben und Friedrich Benedikt zu Wort. Sie sind – gemeinsam mit anderen – diejenigen, die hinter diesen Führungen stehen. Sie sind Demokratievermittler und bringen den Menschen das Parlament, seinen Zweck und seine Arbeit anschaulich näher. „Die virtuellen Führungen sind jetzt ein paar Wochen alt. Sie können die Führungen vor Ort sehr gut ergänzen, aber niemals kann man damit das Menschen vor Ort ersetzen“, meint Erben. Das Parlament verstehe sich als außerschulischer Lehrraum für Demokratiebildung, weswegen man auch auf die Menschen eingehen müsse und sie dort abholen müsse, wo sie stehen.

„Die Online-Führungen haben uns alle vor Herausforderungen gestellt, da wir uns an der im Video vorgegebenen Story orientieren mussten. Jeder Sprecher und jede Sprecherin muss also das Wissen, das er oder sie vermitteln will, an die Schnitte im Video anpassen“, erklärt Benedikt den Entstehungsprozess. Dass das neue Konzept angenommen wird, erkennt man an den mittlerweile 6.000 Tourteilnehmerinnen und -teilnehmern täglich. Denn Demokratiebildung wird hier großgeschrieben – auch virtuell, in Zeiten von Corona.

Die erste Station der Exkursion ist schließlich beendet. Vom Ausweichparlament kehren die Studierenden wieder zurück an ihren Schreibtisch, ins Wohnzimmer, ins Arbeitszimmer, in die Küche. Bald geht es weiter – online.

Wie hat dir dieser Artikel gefallen?
Leserwertung0 Bewertungen
0