Viele Journalist*innen haben es fast schon geahnt: Die Zeiten, in der morgens die raschelnde Zeitung aus Papier auf dem Küchentisch landet, sind vorbei. Vor allem die jüngere Leserschaft setzt zunehmend auf den digitalen Nachfolger. Was für viele Generationen ein tägliches Ritual war, verliert an Relevanz. Kein Wunder, dass der Printjournalismus weiter ins Wanken gerät und letztendlich sogar sterben muss. Und laut Expert*innen ist es keine Frage des Ob, sondern des Wann.
Immer mehr Verlage ziehen nun die Konsequenzen und verabschieden sich vom gedruckten Blatt. Der deutsche Prignitz-Kurier erscheint bereits nur noch digital, die taz wird ab Herbst nur noch am Wochenende auf Papier erscheinen. Beim Zuhören der Podiumsdiskussion auf der re:publica mit dem ohnehin schon dramatischen Titel „Das Jahr, in dem Print endgültig stirbt – und wie es weitergeht“ komme ich ins Grübeln: Wie lange wird es den Beruf noch geben – so, wie wir ihn kennen?
Und genau darum ging es: Wie Journalist*innen, Verlage und Leser*innen den Übergang zum Digitalprodukt gestalten – und was auf dem Spiel steht, wenn dabei ganze Regionen vom Informationsnetz abgehängt werden.
Nachrichtenwüsten
Die Auswirkungen vom Tod der Printzeitungen sind gravierender als gedacht und können aktuell schon in den USA beobachtet werden. Dort entstehen derzeit sogenannte „Nachrichtenwüsten“, also Orte, an denen kein unabhängiger Lokaljournalismus mehr stattfindet. Medienwissenschaftler Christopher Buschow warnt in der Diskussion: „Dort, wo kein Journalismus mehr ist, ist nicht einfach nichts – dort entsteht ganz viel andere Kommunikation: interessengeleitete Kommunikation, PR, Propaganda.“ In den USA seien „tote“ Zeitungen aufgekauft und teilweise von fragwürdigen Akteuren übernommen worden, um unter vertrauten Markennamen Propaganda zu verbreiten. Auch in Deutschland zeigten sich andere aber ähnliche Tendenzen: Rechte Gruppen kaufen Anzeigenblätter auf und nutzen sie für politische Stimmungsmache. „Dort wo kein Journalismus ist, entstehen andere Kommunikationsräume wie Telegram und WhatsApp Gruppen, in denen meistens keine redaktionell geprüften Inhalte zirkulieren oder sogar bewusst manipulativ eingesetzt werden“, so Buschow.
Solche Entwicklungen führen zu einer gefährlichen Lücke in der demokratischen Öffentlichkeit. Wenn niemand mehr den kommunalen Haushalt prüft oder lokale Missstände aufdeckt, dann fehlt eine der wichtigsten Kontrollinstanzen: die Presse. Buschow betont, dass in Regionen ohne lokalen Journalismus die Wahlbeteiligung sinkt, die Wirtschaftskriminalität zunimmt und Verwaltung schlechter funktioniert.
Leserschaft mitnehmen
Die Printbranche quält aktuell ein überwiegend strukturelles Problem. „Printleser sind vor allem ältere Menschen – und es wächst keine neue Generation nach, die bereit ist, für gedruckte Zeitungen zu zahlen“, sagt Henry Lohmar, Chefredakteur der Märkischen Allgemeinen (MAZ). Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – steigende Papierpreise, höhere Löhne, teure Zustellung – verschärfen den Druck zusätzlich.
Ziel muss es nun sein die Leserschaft langsam, aber sicher an das digitale Produkt zu gewöhnen und sanft hinüberzuleiten. Denn eines ist klar: Nachrichtenwüsten möchte hier niemand. „2025 ist nicht das Jahr in dem Print endgültig stirbt, aber Sterben ist ein Prozess und er hat schon längst begonnen“, so Chefredakteur der MAZ Henry Lohmar über die Notwendigkeit einer Umstellung. Diese Entwicklung aufzuholen sei unmöglich.
Die Verlage stehen dabei vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen einerseits das bestehende, meist ältere Publikum bei der Hand nehmen – und gleichzeitig neue, jüngere Zielgruppen digital erreichen, die mit Print ohnehin nichts mehr anfangen können. Dabei hätte der digitale Wandel gerade für ältere Personen viele Vorteile: Artikel können vorgelesen, Schriftgrößen angepasst und Inhalte schneller aktualisiert werden.
Wie der Umstieg gelingen kann, zeigt etwa der Prignitz-Kurier. Das Blatt hat bereits vollständig auf Digital umgestellt – mit erstaunlich hoher Akzeptanz: Rund 60 Prozent der bisherigen Print-Abonnent*innen konnten mit digitalen Abos erhalten bleiben. Ähnliche Überlegungen gibt es bei der taz. Sie hat über ein Jahrzehnt hinweg den digitalen Wandel vorbereitet. Im Herbst 2025 erscheint die Zeitung nur noch am Wochenende in gedruckter Form, werktags wird es ausschließlich digitale Ausgaben geben. „Wir wollten keine Abschiedsgeschichte schreiben, sondern eine Vorreiterrolle einnehmen“, betont taz-Chefredakteur Lukas Wallraff. Skepsis habe es zunächst gegeben – innerhalb der Redaktion wie unter den Leser*innen.
Ein Rettungsring für die gedruckte Zeitung?
Trotz aller Umbrüche: Der Journalismus selbst steht nicht vor dem aus. „Wir wollen ja den Journalismus erhalten – mit all seinen multimedialen Darstellungsformen wie Text, Video und Audio“, betont Buschow. Recherche, Verifikation, Storytelling – all das werde weiter gebraucht, vielleicht sogar mehr denn je.
Was sich verändert, ist das Trägermedium. Doch Print ist damit nicht automatisch verloren. Der Professor für digitalen Journalismus und Change-Management Markus Kaiser sieht eine mögliche Zukunft in der Nische: Gedruckte Zeitungen könnten – ähnlich wie Schallplatten – zu einem Statussymbol, das mit Haptik, Design und Papierqualität überzeugt werden. „Vielleicht spricht es die Leute auch gerade als Erholung vom digitalen Leben an“, meint Kaiser.
Die Herausforderung für Verlage besteht darin, Print dort beizubehalten, wo es noch wirtschaftlich tragfähig ist und gleichzeitig den digitalen Journalismus weiterzuentwickeln, um neue und vielleicht sogar auch jüngere Leser*innen zu gewinnen.
Denn letztlich stirbt nicht der Journalismus. Es stirbt nur ein Kanal.