Alexa spielt Musik, beantwortet Fragen – und kann im besten Fall helfen, Erinnerungen zu stützen. Auf der re:publica 25, dem Festival für digitale Gesellschaft, rückte eine Podiumsdiskussion ein Thema ins Zentrum, das im Alltag vieler Familien präsent ist – aber selten laut besprochen wird: Wie können digitale Tools Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützen?
Moderiert wurde die Diskussion am 28. Mai 2025 in der STATION Berlin von Zarah-Louise Roth (NDR). Auf dem Podium saßen drei Expert*innen: Saskia Weiß, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG), Michael Zeiler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sowie Sven Paul, Referatsleiter im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Saskia Weiß begann mit einem Überblick über aktuelle digitale Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz. Genannt wurden etwa GPS-Tracker, Sprachassistenzen, digitale Termin-Erinnerungen sowie Tools, um miteinander in Kontakt zu bleiben. Im weiteren Verlauf berichtete sie von einem Projekt in Zusammenarbeit mit Amazon, bei dem Menschen mit Demenz über vier Wochen hinweg Alexa-Funktionen ausprobieren konnten. Jede Woche wurde eine neue Funktion eingeführt, jeweils mit einer detaillierten Schritt-für-Schritt-Anleitung und begleitet durch Angehörige. Die Reaktionen der Teilnehmenden waren sehr unterschiedlich: Während manche anfangs ängstlich oder skeptisch reagierten, konnten andere gut mit der Technik umgehen und nutzen sie teilweise bis heute weiter. Besonders gefragt waren Funktionen wie Musik- und Radiohören. Der Verlauf zeigte, wie wichtig Begleitung und Struktur beim Einstieg in digitale Anwendungen sind.
Michael Zeiler stellte seine Arbeit an digitalen Anwendungen für Menschen mit Demenz vor. Er verwies darauf, dass es bereits eine Reihe von Apps in gängigen App-Stores gibt. Für ihn steht dabei die Qualität der Anwendungen im Vordergrund. Im Bereich Demenzscreening sei sein Anspruch, keine Diagnosen zu stellen, sondern – so Zeiler – „ein wissenschaftlich validiertes Handwerkzeug an die Hand zu geben, … um früher eine Behandlung zu erreichen.“ Er beschrieb, wie herausfordernd die Entwicklung solcher Tools sei. Menschen mit Demenz seien aus Entwicklersicht besonders anspruchsvolle Nutzer*innen. Deshalb arbeitet er mit einem User-Centered Design-Prozess, bei dem in jeder Entwicklungsphase neue betroffene Personen eingebunden werden. Ein Beispiel: Bei einem Test in einem Demenz-Café habe die Hälfte der Teilnehmenden die App nicht über die Startseite hinaus bedienen können – eine wichtige Erkenntnis für das weitere Design.
Sven Paul berichtete von einem Projekt des BMFSFJ, bei dem 2024 vier Fokusgruppen mit insgesamt 29 Kindern und Jugendlichen in den Kreativräumen des Ministeriums durchgeführt wurden. Mit Methoden aus dem Design Thinking entwickelten sie rund 30 kreative Ideen zur Frage: Was hilft euch, Demenz besser zu verstehen? Daraus entsteht aktuell eine digitale Plattform für Kinder und Jugendliche, deren Veröffentlichung für Februar 2026 geplant ist. Drei zentrale Funktionen stehen fest: ein Lernbereich mit kompakten Informationen zu Formen der Demenz, Statistiken und Symptomen; ein Bereich „von Kindern für Kinder“, in dem gleichaltrige Personen Informationen teilen; sowie ein Abschnitt „Mit Rat und Tat“, der Hilfe und Tipps vermittelt. Paul sprach außerdem über zukünftige Potenziale von KI, insbesondere bei nachlassenden kognitiven Fähigkeiten. Als Veranschaulichung nannte Paul Navigationssysteme, die anzeigen, wo man sein Auto geparkt hat. Dabei ging es nicht um Menschen mit Demenz als Zielgruppe, sondern um den allgemeinen Hinweis, dass auch gesunde Menschen bereits digitale Hilfen nutzen, um sich im Alltag besser zurechtzufinden. Daraus lasse sich ableiten, dass digitale Unterstützung längst Teil unseres Lebens ist – und mit entsprechender Anpassung auch für Menschen mit Demenz hilfreich sein könnte.
Zum Ende der Diskussion wurde deutlich: Technik allein reicht nicht. Es geht um Verständlichkeit, Begleitung und den Mut, neue Wege zu gehen – gemeinsam mit den Betroffenen. Die Vorstellung eines „digitalen Lebensbegleiters“, welcher verschiedene Funktionen vereint und individuell angepasst werden kann, stand sinnbildlich für die Hoffnung, dass Digitalisierung nicht überfordert, sondern unterstützt.
Die Podiumsdiskussion war Teil der re:publica 25, die vom 26. bis 28. Mai 2025 unter dem Motto „Generation XYZ“in Berlin stattfand. Das Festival gilt seit 2007 als eine der wichtigsten europäischen Plattformen für digitale Gesellschaft, Politik und Medien. Und es zeigte einmal mehr: Digitalisierung ist keine Frage der Technik allein – sondern der Haltung, mit der wir ihr begegnen.
Quellen:
https://re-publica.com/de/session/demenz-teilhabe-mit-digitalen-tools-ermoeglichen
https://digidem-bayern.de/erinnerungsarbeit-digital-neue-ansaetze-in-der-reminiszenztherapie-2/