Studierende sind hochintelligent, feiern viel und haben keine Verantwortung, während Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dagegen in einem Hamsterrad der Verantwortung gefangen sind. Diese und unzählige andere, sowohl positive als auch negative Vorurteile, prägen häufig das äußere Bild der beiden Lebenswelten. Doch was steckt tatsächlich hinter diesen Klischees und wie sehr unterscheidet sich der Alltag wirklich? Eine Studentin und eine Vollzeitkraft berichten über ihren Alltag und lassen uns in ihre Welt eintauchen, um die möglichen Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Lebensphasen zu enthüllen.
Entscheidungen über den Werdegang
Die Entscheidung, ob man nach der Schule direkt ins Berufsleben einsteigt oder zunächst ein Studium beginnt, ist eine wichtige und oft schwierige Wahl. Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile. Ein Studium bietet die Möglichkeit, sich fachlich zu spezialisieren, theoretisches Wissen zu erlangen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Zudem kann ein akademischer Abschluss die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und langfristig bessere Karrieremöglichkeiten bieten. Auf der anderen Seite ermöglicht der direkte Einstieg ins Berufsleben eine frühzeitige finanzielle Unabhängigkeit, praktische Erfahrungen im Arbeitsalltag und möglicherweise schnellere berufliche Aufstiegschancen.
Carla ist 21 Jahre alt. Nach ihrem Abschluss am Gymnasium im Jahr 2021 stand für sie fest, dass sie studieren möchte, einerseits weil sie großes Interesse am Studiengang Pädagogik hatte, andererseits weil sie noch nicht bereit war ins Arbeitsleben einzusteigen. Mittlerweile ist sie im sechsten Semester und macht dieses Jahr ihren Bachelor fertig.
Nina ist 23 Jahre alt. Auch sie maturierte an einem Gymnasium, entschied sich jedoch dafür direkt ins Arbeitsleben einzusteigen und absolvierte eine Lehre als Bankkauffrau. Heute arbeitet sie in Vollzeit im Vertrieb eines Unternehmens. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung war, dass sie nach Unabhängigkeit strebte und ihr eigenes Geld verdienen wollte.
Der Alltag einer Vollzeitkraft vs. einer Studierenden
Häufig gibt es Vorwürfe und Missverständnisse über den Alltag einer Vollzeitkraft im Vergleich zu einem/einer Studierenden. Manche glauben, dass Vollzeitkräfte einen stressigeren und anspruchsvolleren Alltag haben, da sie den ganzen Tag arbeiten müssen, während Studierende angeblich mehr Freizeit und weniger Verantwortung haben. Jedoch werden einige Aspekte dabei häufig übersehen:
Carlas Wochentage unterscheiden sich stark voneinander und ändern sich mit jedem neuen Stundenplan im neuen Semester: „Montags bin ich von ca. 9 bis 13 Uhr in der Uni, donnerstags und freitags dagegen habe ich erst nachmittags Lehrveranstaltungen, jedoch teilweise bis 19 Uhr.“ An den restlichen Tagen hat sie „frei“, wobei das scheinbar besser klingt als es wirklich ist: „zwei- bis dreimal die Woche Uni klingt zwar entspannt, aber häufig vergessen die Leute, dass Studierende auch außerhalb der Lehrveranstaltungen Sachen vorbereiten müssen und wir dadurch auch nach der Uni bzw. auch an diesen eigentlich freien Tagen nicht abschalten können und teilweise mehr zu tun haben, als während den Lehrveranstaltungen“, berichtet sie.
Ninas Alltag sieht anders aus: Von Montag bis Freitag wacht sie täglich um sechs Uhr auf und arbeitet mindestens acht Stunden, manchmal auch länger. Ihre freien Tage sind Samstag und Sonntag. An denen ist sie dann aber meistens auch wirklich frei von der Arbeit. Doch das ist heutzutage nicht mehr bei jedem so, die Digitalisierung führt häufig zur ständigen Erreichbarkeit und dadurch auch am Wochenende zu keiner Ruhe.
Neben den Pflichten darf jedoch auch die Bedeutung von Freizeit nicht unterschätzt werden, da sie einen wichtigen Ausgleich zu den Anforderungen des Berufs- oder Studienalltags bietet. „Dass Vollzeitkräfte gar keine Freizeit haben, stimmt so nicht. Natürlich beansprucht es viel Zeit […] aber ich versuche schon zum Ausgleich nachmittags mal Freunde zu treffen oder auch regelmäßig ins Gym zu gehen. Meistens klappt es auch gut. Dass man es manchmal aber zeitlich nicht schafft oder einfach zu fertig ist nach einer langen Schicht, kommt aber natürlich auch vor“, berichtet Nina.
Carla passt ihre Freizeit dem Stundenplan an: „Ich habe viele Freundinnen, die auch studieren, wir treffen uns zu ganz unterschiedlichen Zeiten, als jene, die Vollzeit arbeiten müssen. Donnerstags mach ich zum Beispiel gerne vormittags etwas mit Freunden oder gehe ins Gym, weil ich bis um sieben in der Uni bin und danach meistens keine Lust mehr habe.“ Aber nicht immer funktioniert das so gut: „Klar habe ich manchmal, besonders in den Prüfungsphasen, weniger Zeit. Aber dafür ist während des Semesters mehr Zeit“, so Carla.
Herausforderungen und Belastungen im Studierenden- vs. Arbeitsleben
Im Studium und im Berufsleben stehen sowohl Studierende als auch Vollzeitkräfte vor verschiedenen Herausforderungen und Belastungen. Eine Studie aus dem Jahr 2021, durchgeführt von der Arbeiterkammer Österreich (AK), ergab, dass Stress im Berufsleben ein weit verbreitetes Problem ist. Laut dieser fühlen sich rund 50 Prozent der Beschäftigten in Österreich regelmäßig gestresst. Die Hauptursachen für den beruflichen Stress sind demnach hohe Arbeitsbelastung, Zeitdruck, Konflikte am Arbeitsplatz und die ständige Erreichbarkeit durch digitale Medien.
Auch Nina wechselte vor circa einem Jahr ihre Arbeitsstelle, da sie unzufrieden war: „Klar ist es nicht immer leicht und man fühlt sich mal belastet. Fünfmal die Woche acht Stunden zu arbeiten ist auch nicht ohne. Es nimmt schon echt viel Zeit weg. Und wenn du dann auch noch unzufrieden bist, ist es wirklich hart und man kann daran kaputt gehen. Ich denke, dass hier besonders wichtig ist, dass man etwas findet, wo man sich wohl fühlt und was auch Spaß macht. Durch meine neue Stelle ist das ganze gar nicht mehr so schlimm wie es klingt. Leider hat aber nicht jeder das Glück so etwas zu finden.“
Aber auch bei Studierenden scheint es ähnlich zu sein: Der durch die Studierenden App „Studo“ und die Online Beratungsstelle Instaheop erstellte Mental-Health-Barometer 2022 zeigte, dass sich insgesamt über 80 Prozent der Studierenden im Studium gestresst fühlen. Dabei sorgen besonders das Prüfungsvolumen und Prüfungsängste bei vielen für eine Verschlechterung ihrer mentalen Gesundheit.
„Besonders in den Prüfungsphasen, fühlt man sich manchmal wie erschlagen. Mit der Zeit kommt man langsam damit klar, lernt sich selbst zu organisieren, doch trotzdem bin ich ab und zu überfordert, wenn sich die Abgaben und Prüfungen alle häufen und überschneiden. Es ist wirklich nicht immer leicht“, so Carla. „Hinzu kommt häufig auch noch der finanzielle Aspekt. Viele Studenten und Studentinnen haben keine, bis wenig Unterstützung und müssen nebenbei Arbeiten, um sich alles finanzieren zu können, da hat man wirklich teilweise keine Freizeit mehr“, berichtet sie weiter.
Viele Studierende in Österreich und Deutschland haben mit finanziellen Herausforderungen zu kämpfen. Einer Studie des Instituts für Soziologie der Uni Wien unter Leitung von Martin Unger zufolge, haben mehr als ein Drittel der Universitätsstudierenden in Österreich finanzielle Probleme.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Studierenden- und Arbeitslebens
Sowohl Studierende als auch Vollzeitkräfte sind oftmals mit Herausforderungen konfrontiert. Während die einen oft unter dem Druck von Prüfungen und Klausuren stehen, müssen sich die anderen mit einem hohen Arbeitspensum, Meetings und Deadlines auseinandersetzen. Unterschiede bestehen und natürlich variiert dies zusätzlich durch Faktoren wie Arbeits- oder Studienrichtungen. Doch eins steht fest: Sowohl das Studium als auch die Arbeit sind ein wichtiger und fester Bestandteil unseres Lebens, die einen Großteil unserer Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Beides erfordert Engagement, Disziplin und Einsatzbereitschaft, um erfolgreich zu sein. Egal ob im Studium oder in der Arbeit, letztendlich ist es wichtig, Herausforderungen anzunehmen, Probleme zu lösen und seine Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern, um die eigenen Ziele zu erreichen.