re:publica Tag 2: „Ich bin quasi privat hier.“

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Verkatert von vielen ersten Eindrücken pendeln wir wieder in Richtung Arena im Berliner Kreuzberg. Die Sicherheitskräfte winken uns durch. Heute ist hier weniger los als gestern. Aber es ist ja auch noch früh, die ersten Vorträge beginnen in einer halben Stunde.  

Frisch gebrühter Kaffee begleitet unsere Orientierungsphase. Wir starten mit einem Panel-Talk der ARD. Zu Gast sind Redakteur:innen von Radio Bremen und dem deutschen Medienunternehmen SWR, dem Südwestrundfunk. Sie erzählen von ihren Strategien, regionale Inhalte in digitaler Form einem jungen Publikum beizubringen. Es ist spannend zu hören, mit welchen Themen man hier in die Produktion geht und welche Ansätze verfolgt werden.  

“Community Management ist nicht ein bisschen Kommentar schreiben. Das macht was mit einem, wenn man den Sch*** lesen muss, den jemand da draußen schreibt.”, mit diesen direkten Worten leitet Vivian Pein, Beraterin für Social Media und Community Management, ihre Runde ein. Ein realitätsnaher Einblick in dieses Berufsfeld, der uns sehr beeindruckt hat. 

Vivian Pein beim Vortrag über Community-Management
Vivian Pein beim Vortrag über Community-Management © Sofa-Magazin Redaktion

Streaming-Dienste sind eine der wichtigsten Plattformen unserer Zeit. Doch was bringt die Zukunft? Peter Effenberg und Irmela Wrogemann geben einen ersten Vorgeschmack. In-Stream-Engagement ist eines der Keywords, die in Zukunft unseren Konsum und auch unser Online-Verhalten maßgeblich bestimmen werden. Wir sind gespannt.  

Die Autorin Tupoka Ogette zeichnet ein kurzes, aber einprägsames Bild von einer idealen Welt: „Stell dir vor wir wachen morgen in einer Welt ohne Rassismus auf, was würdest du tun? In Jogginghose in Läden gehen und einfach ohne etwas gekauft zu haben, den Laden wieder verlassen. Oder einfach mal nur 100% statt 200% geben und trotzdem als gut bewertet werden.“ Mehr Eindrücke von dieser beeindruckenden Frau findet ihr in ihrem empfehlenswerten Buch ‘Exit Racism”. Von einem Plädoyer für eine Welt ohne Kategorisierung geht es weiter zu vorhandenen digitalen Möglichkeiten, geschichtliche Ereignisse lebendig zu machen und so in der gesellschaftlichen Erinnerung zu verankern.  

Mit der Vertrauensfrage “Können wir chinesischen Apps noch trauen?” starten wir in ein Panel rund um Datenschutz und Sicherheit von chinesischen Apps. “Chinesische Apps versuchen nicht als solche erkennbar zu sein, um ungehindert Daten sammeln zu können.“, warnen Liwen Qin und ihre Kollegin Angela Köckritz von der Zeit. Neben Bytedance und Tiktok gehören auch Zoom und wechat chinesischen Unternehmen. Mehr dazu könnt ihr im Podcast ‘Sea of Change’ hören.  

Drei Initiativen zu KI-gestütztem Lernen werden ebenfalls am Vormittag bei einem spannenden Workshop präsentiert. Es wurden Herausforderungen aber auch Chancen beleuchtet und in einem aktuellen Kontext präsentiert. Vom Lernen geht es in die Arbeitswelt. Wie wir Home Office effizienter gestalten können war Thema bei einer Panel-Diskussion mit Vertreter:innen der Verwaltungs- und Berufsgenossenschaft. Bleiben wir ein bisschen im bürokratischen Bereich. Jens Milker hat mit “Ich bin quasi privat, und nicht als Beamter hier” schnell das Eis beim Publikum gebrochen. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Verhaltenskodizes von Amtsträgern und Behörden auf Social Media.  

In der Trödelhalle lauschen wir Jay Fajardo, der über Troll Farms in den Philippinen spricht und uns anschaulich darstellt, wie weit diese in die Präsidentschaftswahl 2022 eingegriffen haben.   Die Troll Farms sind ein Problem – dass sie direkt über die Politik finanziert und gefördert werden, ein Schock für uns. Plötzlich wird die Frage “Hat Demokratie ihren Preis” eine ganz neue Antwort bekommen. 7 Dollar pro Interaktion. Wir sind überrumpelt.  

Panel der ARD zur Mediathek der Zukunft
Panel der ARD zur Mediathek der Zukunft © Sofa-Magazin Redaktion

Wieder zurück bei der ARD sprechen wir über die Mediathek des ARD und welche Programme und Praktiken weiterhin Teil der Strategie sein sollten. Erfrischend selbstkritisch und offen berichten die Journalist:innen  und Programmverantwortlichen von Ihrem Alltag und was sie in Zukunft lieber in der Vergangenheit lassen.  

Von der Herausforderung, Unterhaltung und Information zu verknüpfen, sprechen Antje Boehmert, Benjamin Cantu und Khesrau Behroz. Sie beschäftigen sich mit der Frage, ob Unterhaltung dem Narrativ untergeordnet wird oder umgekehrt. „Ich muss mir nicht beweisen, dass ich langweiligen Stoffen folgen kann“ erwidert Antje Boehmert, die selbst Dokumentarfilme produziert, auf die Frage, ob es Inhalte gibt, die rein auf Information setzen und die Unterhaltung des Publikums hintenanstellt.  

Vom Bewegtbildthema gefesselt geht es auf Stage 3 gleich mit einem ähnlichen Thema weiter. Die Zukunft der Produktion liegt in der virtuellen Welt. Zumindest wenn es nach Frank Govaere geht. Der Belgier erzählt uns, wie virtuelle Welten mit realen Szenen verschmelzen können, dabei eröffnen Echtzeit-Interaktionen völlig neue kreative Möglichkeiten für Filmemacher:innen. Special Effects ganz ohne Postproduction sozusagen. Ob das die Filmwelt wirklich revolutionieren wird? Auch das werden uns erst die nächsten Jahre zeigen.  

Die Köpfe sind voll, unsere Mägen leer. Wir machen uns auf den Weg in Richtung Abendessen und blicken noch einmal auf den bewölkten Himmel über der Spree. Bei einer Weinschorle – man muss sich “Spritzer” wirklich verkneifen – diskutieren wir weiter über die heutigen Vorträge und sprechen das morgige Programm durch.  

Mehr zur re:publica 2023:

re:publica Tag 1: „Lasst uns reden!“

re:publica Tag 3: Mittendrin aber doch schon am Ende.

re:publica 2023: Buch- und Podcast-Tipps aus Berlin.

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