Sofa – So good: Der Sofa-Talk mit Bildungsminister Martin Polaschek

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Sie sind seit Dezember 2021 Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Was hat Sie dazu bewegt, Bildungsminister zu werden?

Die Freude am Gestalten. Und der Wille, die Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungslandschaft unseres Landes weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit meinem Team konnte ich in den vergangenen eineinhalb Jahren auch sehr viel umsetzen.

Die ersten Monate meiner Amtszeit waren von Corona geprägt, dann kam die russische Invasion in die Ukraine. Wir haben hier schnellstmöglich reagiert, die Integration tausender ukrainischer Kinder in unser Schulsystem ist bestens gelungen. Darüber hinaus haben wir die Lehrpläne reformiert, mit der Kampagne Energie:bewusst die Themen Energieeffizienz und Energiesparen in unsere Schulen gebracht und die Geräteinitiative weiter vorangetrieben.

Über 260.000 Laptops und Tablets konnten bereits an die Schülerinnen und Schüler unseres Landes verteilt werden. Und das fast gratis, mit nur einem geringen Selbstbehalt – ein echter Meilenstein in der Digitalisierung unserer Schulen und ein gewaltiger Schritt in der Bildungspolitik.

Auch im Forschungs- und Wissenschaftsbereich konnten wir sehr vieles bewegen. Erst vor kurzem durfte ich, gemeinsam mit dem FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung), fünf „Clusters of Excellence“ präsentieren. Insgesamt 135 Mio. Euro fließen in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens in die mit Abstand höchstgeförderten Forschungsvorhaben Österreichs.

Wir konnten damit langfristig internationales Spitzenniveau an mehreren Forschungsstätten in Österreich verankern.  

Bildungsminister Martin Polaschek

Bildungsminister Martin Polaschek spricht im Interview über seine Schwerpunkte in der österreichischen Bildungspolitik. Eine Lehrkräfteoffensive, Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie sowie von Fachhochschulen sind sein erklärtes Ziel.

© BKA/Andy Wenzel

Was ist Ihr größter Antrieb, was ist Ihr Herzensprojekt?    

Zwei zentrale Themen sind die Lehrkräfteoffensive und die Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie. Aktuell läuft mit der Kampagne „Klasse Job“ die größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik. Wir zeigen damit, dass Schule Arbeitsplatz und Zukunftsplatz ist, Lehrer- und Lehrerinsein damit ein Zukunftsjob ist. Denn in der Schule begegnen einander nicht nur Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, es ist die Begegnung von Wissen von heute und Gesellschaft von morgen. In unseren Klassenzimmern lehren wir Geschichte und schreiben Zukunft. Mein erklärtes Ziel ist es deshalb, alles dafür zu tun, um jetzt, in drei oder in 30 Jahren ausreichend qualifizierte und motivierte Lehrkräfte zu haben.  

Ein weiterer Schwerpunkt unseres Ressorts ist die Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie. Wir haben deshalb ein umfangreiches 10-Punkte-Programm erarbeitet, um in den kommenden Jahren das Vertrauen in Wissenschaft und das Bewusstsein für Demokratie stärken werden. Eine der zahlreichen Maßnahmen ist beispielswiese, dass wir Wissenschaftsbotschafterinnen und Wissenschaftsbotschafter in unsere Schulen schicken, damit Schülerinnen und Schüler Forschung und Wissenschaft hautnah erleben können. 

Es sind Ihre ersten ÖH-Wahlen. Was bedeutet die ÖH für Sie?    

Die ÖH ist als Interessensvertretung der rund 350.000 Studierenden eine wertvolle, unverzichtbare Einrichtung und wichtiger Teil unserer Demokratie. Als Rektor der Universität Graz waren mir der Austausch und die Einbindung der Studierenden und ihrer Anliegen stets enorm wichtig. Und das ist es auch als zuständiger Bundesminister. Der Dialog mit der ÖH ist für mich elementar, ich bin in regelmäßigem Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern.   

Die Wahlbeteiligung war 2021 historisch gering. Wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen, mehr Studierende für die ÖH zu begeistern?   

Das ist ein Thema, das mich schon beschäftigt. Vor allem, weil mir die Stärkung des Vertrauens in unsere Demokratie ein wirkliches Herzensanliegen ist. Ich würde mir sehr wünschen, dass mehr Studierende den Wert ihrer Interessensvertretung erkennen und zur Wahl gehen. Denn Wählen ist die Möglichkeit und Chance, direkt mitzubestimmen!  

Ich war in den vergangenen Wochen an vielen Universitäten und Fachhochschulen, um auch im Dialog mit den Studierenden über die Wichtigkeit der ÖH-Wahlen zu reden. Ich bin zuversichtlich, dass die gesetzten Initiativen, um die Wahlbeteiligung zu stärken, greifen. 

Hand aufs Herz: Haben Sie als Studierender an den ÖH-Wahlen teilgenommen?   

Ja, immer. Selbst war ich zwar nie in der Hochschulpolitik aktiv, habe mich aber stets dafür interessiert. Und finde es immens wichtig, in einer Demokratie mitzubestimmen, wo immer man die Möglichkeit dazu hat. Ich rufe daher alle Studierenden auf, von ihrem Wahlrecht bei den ÖH-Wahlen von 9. bis 11. Mai 2023 Gebrauch zu machen! 

Mehr zum Thema: ÖH-Wahl 2023 – Ein Überblick

Was erwarten Sie sich von der ÖH-Wahl 2023 und von der nächsten Bundesvertretung?      

Wie bereits erwähnt, ist es mir ein persönliches Anliegen, das Vertrauen in und das Bewusstsein für unsere Demokratie zu stärken. Wahlen als Mittel der Partizipation und der Mitbestimmung sind die Basis dafür. Das beginnt in den Schulen mit der Wahl der Klassensprecher und geht hin bis zur Wahl des Bundespräsidenten. 

Heuer haben wir eine ganz besondere Situation, da bei der ÖH-Wahl erstmalig – auf Wunsch der ÖH – ein elektronisches Wahladministrationssystem eines privaten Anbieters zum Einsatz kommt. Grundlage dafür ist ein entsprechender, mit Stimmenmehrheit gefasster Beschluss der ÖH-Wahlkommission.  

Von der ÖH-Bundesvertretung erwarte ich mir, dass sich alle Mandatarinnen und Mandatare mit großem Engagement für die Studierenden in Österreich einsetzen, egal ob in Form von persönlicher Beratung und Information, indem Veranstaltungen organisiert werden oder indem die Interessen der Studierenden an die Politik herangetragen werden.  

Sie haben vor kurzem den neuen Finanzierungsplan für die Fachhochschulen präsentiert. Welche Eckpunkte enthält dieser?      

Der Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplan 2023/24-2025/26 sichert durch einen mehrjährigen Finanzierungsrahmen und eine bedeutende Erhöhung der Fördersätze des Bundes für FH-Studienplätze die nachhaltige Entwicklung der österreichischen Fachhochschulen. Der Gesamtbudgetrahmen für die Planungsperiode 2023 bis 2026 beträgt 1,8 Mrd. Euro. In diesem Zeitraum werden 284 Mio. Euro an zusätzlichen Mittel für Fachhochschulen bereitgestellt! Die Fördersätze des Bundes für FH-Studienplätze wurden und werden mehrfach erhöht. Insgesamt bedeutet dies in dieser Regierungsperiode 2020 bis 2024 eine Steigerung um ganze 26,5 Prozent. 

In der kommenden Planungsperiode ist ein weiterer Ausbau des FH-Sektors um insgesamt 1.050 Anfängerinnen- und Anfängerstudienplätze vorgesehen. In diesen drei Jahren werden, beginnend mit dem Studienjahr 2023/24, jeweils 350 neue Anfängerinnen- und Anfängerstudienplätze im Bereich MINT – Digitalisierung und Nachhaltigkeit geschaffen. Damit sollen zusätzliche Ausbildungsplätze in auf dem Arbeitsmarkt dringend benötigten Bereichen geschaffen werden, denn wir brauchen ausreichend Fachkräfte zur Bewältigung der Herausforderungen der digitalen und ökologischen Transformation. 

Erstmals enthält der neue FH-Entwicklungs- und Finanzierungsplan auch Sondermittel, um damit spezifische Projekte zur Stärkung von Kooperationen und Innovation zu fördern. Die Beteiligung von Fachhochschulen an europäischen Hochschulallianzen (European University Initiative) oder Projekte zur vertieften Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen und Unternehmen können aus diesen Mitteln gefördert werden. 

Vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften ist es auch notwendig, das Studienangebot regelmäßig in Hinblick auf die tatsächliche Nachfrage- und Bedarfssituation zu überprüfen. Daher wird das BMBWF (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) das Monitoring der eingesetzten Bundesmittel intensivieren und weiterentwickeln. Studienplätze, die aufgrund mangelnder Nachfrage nicht besetzt werden können, werden zukünftig neu ausgeschrieben.  So kann sichergestellt werden, dass die Bundesmittel entsprechend der bildungspolitischen Zielsetzungen eingesetzt werden.  

Welchen Stellenwert sollen Fachhochschulen künftig in Österreich haben?     

Fachhochschulen haben sich in den beinahe drei Jahrzehnten ihres Bestehens zu einem wesentlichen Pfeiler des österreichischen Hochschulsystems entwickelt. In einigen Fachbereichen wie Ingenieurwissenschaften, Informatik, Soziale Arbeit oder den Gesundheitsberufen sind sie die wesentlichen Ausbildungseinrichtungen auf Hochschulebene und daher von enormer Bedeutung für unser Land. Fachhochschulen fungieren auch als Wissensdrehscheiben, die neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Partnern in Wirtschaft und Gesellschaft teilen.

Gerade ihr Fokus auf Anwendungen und Lösungen macht Fachhochschulen zu unverzichtbaren Partnerinnen, wenn es darum geht, Antworten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden. Für Österreich wird es dabei wesentlich sein, die Zusammenarbeit von Hochschulen mit anderen Hochschulen, aber auch mit anderen Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft auf regionaler, aber auch auf europäischer und internationaler Ebene zu verstärken. So können Synergien und Stärken bestmöglich genutzt und gemeinsam neue, innovative Wege beschritten werden. 

Die FH Burgenland erfreut sich bei jungen Menschen aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland einer hohen Beliebtheit. Wo sehen Sie die FH Burgenland in den kommenden Jahren?

Die Fachhochschule Burgenland hat es verstanden, ein besonderes Profil zu entwickeln und – um nur einen von vielen Aspekten herauszugreifen – sich auch als Anbieterin berufsbegleitender Studiengänge etabliert. In einer Welt, die vor vielen Umbrüchen, wie den Veränderungen durch die Digitalisierung und den Klimawandel steht, erhält das lebensbegleitende Lernen einen immer höheren Stellenwert.

Die Qualitätssicherung des hochschulischen Angebotes ist daher von großer Bedeutung. Hier wünsche ich der FH Burgenland, dass sie ihren erfolgreichen Weg konsequent fortsetzen kann und auch in Zukunft qualitativ hochstehende Studienangebote für die Bedürfnisse der kommenden Generationen anbieten wird. 

Zur Person Martin Polaschek

Martin Polaschek wurde 1965 in Bruck/Mur geboren. Nach dem Studium der
Rechtswissenschaften habilitierte er sich im Jahr 2000 für Österreichische und Europäische
Rechtsentwicklungen, Rechtliche Zeitgeschichte und Föderalismusforschung und wurde
zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Ab 2003 war er Vizerektor für
Studium und Lehre und von Oktober 2019 bis Dezember 2021 Rektor der Universität Graz.
Darüber hinaus war Polaschek Sprecher der österreichischen Vizerektor/innen für Lehre.
Martin Polaschek forschte mit dem Fokus auf die Bereiche der Nachkriegsjustiz, des
Universitätsrechts und der Kommunalforschung. Am 6. Dezember 2021 wurde Polaschek als Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung angelobt. Polaschek ist verheiratet und Familienvater.

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